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Laufanalyse in Münster – Meine Lauftechnik auf dem Prüfstand

Laufen – Das ist eine Aneinanderreihung von Einbeinständen, sagt man. Wenn man sich das näher anschaut und die eigene Lauftechnik mal mit Hilfe einer Bewegungsanalyse studiert, können dabei überraschende Erkenntnise herauskommen.

Hinweis: Dieser Artikel geht etwas mehr ins Detail und ist entsprechend länger. Bring also ein bisschen Zeit zum Lesen und Verstehen mit. ;-)

Eine der natürlichsten Bewegungen der Welt anzweifeln?

Man sollte meinen, dass Laufen doch zu den natürlichsten Bewegungen der Welt gehört und dass man da nicht viel bei falsch machen kann. Gehen haben wir schliesslich auch alle gelernt. Und Laufen ist dann doch nur ein Bein vors andere in einem etwas zügigeren Tempo. Völlig intuitiv und vermeintlich narrensicher.

Doch ganz so einfach ist es leider nicht. Bedenkt man, dass es sich beim Laufen um eine komplexe Bewegungsabfolge handelt, bei der man die Gelenke, Muskeln und Sehnen mit dem drei bis fünffachem Körpergewicht belastet – wohl gemerkt bei jedem Schritt. Schon bei einem 10km Lauf können da Belastungen von um die 1.000 Tonnen einwirken. Kein Wunder also, dass bei falscher Technik schnell Beschwerden in den für Läufer typischen Regionen wie Achillessehne, Knie, Hüfte und Co auftreten können.

Die (meine) typischen Laufbeschwerden und Verletzungen

Die zuletzt genannten Beschwerden habe ich allesamt mitgenommen, seit ich im Oktober 2016 mit dem Laufen begonnen habe. Gründe dafür waren bei mir:

  • Schlechte Lauftechnik (Unwissenheit)
  • zu schneller Einstieg und dadurch Überbelastungen (falscher Ehrgeiz)
  • unzureichende körperliche Grundlagen (muskuläre Dysbalancen)

Alles, was ich irgendwie übers Laufen wusste, hab ich durch Trial & Error gelernt oder durchs Selbststudium mit Hilfe von Büchern, Blogs und YouTube. Nicht die allerbeste Herangehensweise, wie ich rückblickend zugeben muss.

Mit der Zeit wird man zwar in der Theorie schlauer und weiss, worauf man achten sollte, dass dies aber gar nicht so einfach umzusetzen ist, erstaunte mich im Rahmen der Laufanalyse. Selbstwahrnehmung beim Laufen und die Wirklichkeit sind zwei verschiedene paar Schuhe Welten!

Fakten schaffen mit einer Laufanalyse

Weil ich die ganzen ständig wechselnden Verletzungen satt hatte und mir ziemlich sicher war, dass die Ursache in einer unsauberen Lauftechnik zu finden sei, machte ich mich auf die Suche nach einem Anbieter für Bewegungs- und Laufanalysen.

Nach kurzer Online-Suche bin ich dann auf das in Münster ansässige Unternehmen „Möller Orthopädie-Schuh-Technik“ gestossen, das in ihrem Ganglabor eine 90-minütige Laufanalyse (Sport-Bewegungsanalyse) anbietet, durchgeführt von Dr. rer. Medic. Arne Nagel, seines Zeichens Sport- und Bewegungswissenschaftler.

Der Preis für die 90-minütige Analyse lag im Juli 2017 bei 150,- Euro, die als Eigenleistung zu zahlen sind. Auf den ersten Blick nicht gerade wenig Geld – wie sich aber herausstellen sollte, jeden Cent wert.

Bevor ich mich dazu entschloss, einen Termin zu machen, fragte ich noch kurz per eMail an, ob meine folgenden Wünsche und Anforderungen mit der Analyse abgedeckt seien:

Meine Anforderungen an eine Laufanalyse

Wenn man Zeit und Geld in eine Laufanalyse investiert, dann verfolgt man damit natürlich einen Zweck. Bei mir waren dies nachfolgende Punkte:

  • Analyse meiner Lauftechnik – Was klappt bereits gut, was kann ich besser machen?
  • Übungen, die dabei helfen, besser und verletzungsfrei(er) zu laufen
  • Gründe für die Beschwerden und Verletzungen beim und durchs Laufen
  • Empfehlungen bzgl. einer möglichen Einlagenversorgung

Meine Anfrage per eMail wurde prompt positiv beantwortet und ich war guter Dinge, dass ich das bekomme, wonach ich auf der Suche war. Also: Termin machen.

Ablauf der Laufanalyse

Eins vorweg: Plant Zeit ein, um einen Termin für eine Laufanalyse zu bekommen. Die Analysen sind so gefragt, dass ich rund 3 1/2 Wochen auf einen Termin warten musste.

Dann war es endlich so weit, Tag der Analyse. Mitzubringen sind die getragenen Laufschuhe, sowie enge Sportklamotten, idealerweise eine Badehose oder eng anliegende Boxershorts.

Vorgespräch

Bevor irgendwas untersucht, vermessen oder gefilmt wurde, fand ein ausgiebiges Gespräch statt. In diesem Gespräch wurden Alter, Grösse, Gewicht, Beruf, sportlicher Background, sportliche Ziele, Trainingsart und -volumen abgefragt, sowie bekannte körperliche Beeinträchtigungen, Operationen, Verletzungen, Beschwerden und Co.

Das gefiel mir sehr gut und zeigte mir, dass vom Ansatz her eine ganzheitliche Betrachtung verfolgt wird.

Voruntersuchung

Im Anschluss daran wurde die Beweglichkeit unter die Lupe genommen: Wie tief kommt man in die Kniebeuge, gibt es Einschränkungen hinsichtlich der Beweglichkeit von Fuss- und Zehengelenken usw., optische Auffälligkeiten?

Bei mir alles tippitoppi, keine Einschränkungen hinsichtlich der Mobilität vorhanden, von einer leichten Verkürzung des Hüftbeugers abgesehen.

Eine Kleinigkeit, die ihm direkt auffiel: Ein blauer Zehennagel an jedem Fuss, unter dem ich mir mal eine Blase gelaufen hatte. Das kann entweder von zu kleinen Schuhen kommen (bei mir nicht der Fall) oder aber von zu schwacher Fussmuskulatur. Dann beginnt man nämlich unbewusst, sich mit den Zehen im Schuh festzukrallen, wenn die Muskulatur ermüdet ist.

Körperhaltung

Weiter ging es dann mit Aufnahmen im Stehen von vorne, hinten und der Seite.

Hierbei wurde die Körperhaltung unter die Lupe genommen.

Zu meinem Erstaunen lehne ich deutlich mit dem Körper nach vorne, obwohl ich das Gefühl habe, kerzengerade zu stehen. Interessant.

Auch lässt sich gut erkennen, dass ich leicht schief stehe. Schulter und Becken kippen ab.

Statischer und dynamischer Fussabdruck

Um die Fussbeschaffenheit und das Gangbild zu untersuchen, wurde zum einen ein statischer Fussabdruck beidseitg erstellt, der erste Informationen zur Fussbelastung im Stehen liefert. Die befürchtetete Diagnose von Plattfüssen blieb aus. :-)

Mit Hilfe eines dynamischen Fussabdruckes, der beim Gehen über eine Messplatte erstellt wird, erhält man Informationen zur Belastung und Kräfteverteilung während des Gehens. Hierbei war zu erkennen, dass ich verhältnismässig stark über die Aussenseite des Fusses abrolle.

Analyse auf dem Laufband

Mit einem Spezialedding wurden markante Punkte an den Beinen und Gelenken markiert, ebenso kamen Klebestreifen zum Einsatz, die am Hüftgelenk und mit dem Verlauf der Achillessehne platziert wurden. Mit Hilfe dieser Markierungen erfolgt später die Auswertung der Videoaufnahmen.

Barfusslauf first…

Unglaublich aber wahr: Dies war mein erstes Mal auf einem Laufband! :-D

Nach kurzer Einweisung lief ich dann mit einer konstanten 6er Pace barfuss auf dem Laufband und wurde dabei gefilmt, gleichzeitig von hinten und der Seite.

Nach einigen Metern (auf der Stelle) drehte ich mich um 180 Grad und lief in die entgegengesetzte Richtung, um von vorne gefilmt zu werden.

…mit Schuhen zuletzt

Das ganze wurde dann nochmal mit Laufschuhen wiederholt, bevor es dann an die Auswertung der gesammelten Informationen ging.

Auswertung der kompletten Laufanalyse

Nach kurzer Verschnaufpause und einem halben Liter Wasser, nahmen wir dann gemeinsam vorm PC platz und schauten uns die Aufnahmen an. Mit Hilfe der Spezialsoftware konnte man die Front- und Seitaufnahmen parallel ablaufen lassen und auswerten, was durch das Einzeichnen von Hilfslinien unterstützt wurde.

Auszug aus dem Bericht:

  1. Fußstatus:
    • Senkfuss beidseitig, Überbelastung unter dem fünften Mittelfussköpfchen links
  2. Körperstatik:
    • Linker Fuss in der Längsachse verstärkt adduziert (eingedreht)
    • Im Stand verstärkte Beckenkippung erkennbar. Dies weist auf eine zu schwach ausgeprägte Hüftstreckmuskulatur (groser Gesäßmuskel und hinter Oberschenkelmuskulatur) hin.
    • Leichte vorgeneigte Körperhaltung und leichter Schulterschiefstand links.
  3. Dynamik:
    • Fuss:
      Bodenkontakt: Das Aufsetzen des Fusses erfolgt über die Aussenseite des Mittel- und Vorderfusses.
      Belastung: In der Stützphase zeigt sich eine Supination (Neigung des Fusses nach aussen) mit Varusstellung des Fersenbeines.
      Abdruckphase: In der Abdruckphase wird der Fuss nach aussen gekippt und über die äusserne Mittelfussköpfchen abgerollt.
    • Knie:
      Es zeigte sich eine weitgehend stabile und unauffällige Kniebewegung während der Standphase.
      Es zeigte sich zudem eine zu starke Kniebeugung in der Standphase, die zu einem verstärkten Anpressdruck der Kniescheibe in das Gelenk führt.
    • Hüfte/Oberkörper:
      In der Standphase zeigt sich ein Trendelenburg-Zeichen (Becken kippt auf der Schwungbeinseite ab). Dies wird durch eine abgeschwächte hüftstabilisiernde Muskulatur (Mm. Gluteus medius und minimus) ausgelöst.
      Die Hüftstreckung während der Abdruckphase erscheint eingeschränkt. Dies weist auf eine Dysbalance zwischen Hüftbeugern (M. iliopsoas, M. rectus femoris) und Hüftstreckern (M. glutues max.) hin. Ausserdem zeigte sich eine starke Rotation des Oberkörpers in der Laufbewegung bei wenig ausgeprägtem Vorschwung des Armes im Schultergelenk.
  4. Beweglichkeit:
    • Es ließ sich keine verkürzte Streckschlinge nachweisen: eine tiefe Hocke war möglich. Dies weist auf eine weitgehende muskuläre Balance zwischen der Streck- und der Beugemuskulatur der Beine hin.
  5. Empfehlungen:
    • Die besprochenen Kräftigungsübungen für die Abduktoren- und die Gesäßmuskulatur stabilisieren die Beckenstellung in der einbeinigen Standphase.
    • Kräftigungsübungen für die Gesäß- und die hintere Oberschenkelmuskulatur helfen dabei, eine physiologische Beckenstellung wiederherzustellen und zu gewährleisten.

    • Kräftigungsübungen für die hintere Oberschenkelmuskulatur verbessern die Rotationsstabilität des Knies und gewährleisten eine physiologische Belastung der Kniescheibe.

    • Kräftigungsübungen für die untere Bauchmuskulatur unterstützen die physiologische und aufrechte Beckenstellung.

    • Die Kräftigungsübungen sollten im Schlingentraining erfolgen, um den Trainingsreiz zu erhöhen und die inter- und intramuskuläre Koordination gleichzeitig optimal zu fördern.

    • Kräftigungsübungen der vorderen und seitlichen (lateralen) Unterschenkelmuskulatur (vorderer Schienbeinmuskel, langer und kurzer Wadenbeinmuskel) durchführen.

    • Koordinationsübungen zur Stabilisierung der Beinachse und der Hüftstabilität durchführen (Übungen im Einbeinstand mit dynamischer Komponente, Sprünge in den Einbeinstand, …).

    • Dehnungsübungen für die hüftbeugende Muskulatur (Mm. iliopsoas und rectus femoris) durchführen.

    • Dehnungsübungen für die Wadenmuskulatur (Mm. gastrocnemius und soleus) durchführen.

    • Die Schwungbewegung der Arme sollte aus dem Schultergelenk bei stabiler Rumpfposition erfolgen. Dadurch erhält der Oberkörper einen Impuls nach vorne und die Auf+Ab-Bewegung des Körperschwerpunktes wird minimiert.

    • Neutrale Laufschuhe ohne mediale Stütze tragen.

  6. Einlagenversorgung:
    • Ein Paar Bettungseinlagen, elastisch, mit vorderer Außenranderhöhung bds.
  7. Fazit:
    • Die oben aufgeführten Empfehlungen sollten zur nachhaltigen Beschwerdefreiheit bei der angestrebten sportlichen Betätigung führen. Die Umsetzung des ausgearbeiteten Konzeptes hilft beim Aufbau einer nachhaltig gesunden Leistungsfähigkeit.

Übungen vs. Einlagenversorgung

Gut gefallen hat mir die Sichtweise von Dr. Arne Nagel: Die erkannten Probleme lassen sich durch zweierlei Ansätze in den Griff bekommen – entweder durch gezielte Übungen (Muskelkräftigung, Dehnung, Moblitätsverbesserungen, Ausgleich von Muskeldysbalancen, Feinkoordination) oder durch Unterstützung von extern, durch entsprechende Einlagen.

Ich selbst bin ein Freund davon, die Ursache aus der Welt zu schaffen, wo es eben möglich ist. Sprich: Mit Hilfe von Übungen meinen Körper aufs Laufen zu optimieren.

Nichtsdestotrotz bin ich der Empfehlung gefolgt, zusätzlich ein Paar Einlagen anfertigen zu lassen, die ich immer wieder mal beim Lauftraining tragen soll und die für einen Ausgleich sorgen sollen, weil ich tendenziell den Fuss aussen belaste, anstelle einer Kraftübertragung über den grossen Zeh.

Damit die Einlagen möglichst passgenau in ein Paar Laufschuhe (ASICS Gel FujiAttack 5) Platz finden, wurde die Einlegesohle als Schablone für die Grösse verwendet und daraufhin das Paar Einlagen gefertigt. Dies ging erstaunlich schnell und dauerte keine zwei Wochen.

Beim ersten Anprobieren merkte ich direkt einen Nachteil der Einlagen: Sie tragen doch recht dick auf. Gegenmassnahme: Schuh weiter schnüren.

Erster Eindruck einer Laufeinheit mit neuen Einlagen

Dass man mit neuen Einlagen nicht direkt einen Marathon laufen sollte, versteht sich von selbst. Diesen Tipp bekam ich von Dr. Nagel beim Abholen der Einlagen auch nochmal mit auf den Weg. Also entschied ich mich für einen kurzen 6k Lauf, um die Einlagen erstmalig zu testen. Vom Trittgefühl her recht angenehm, keinerlei Schmerzen nach den 6km, auch wenn es ein wenig ungewohnt war, nach oben hin ein wenig eingeengt zu sein, trotz weiterer Schnürung. Der komplette Fuss wandert halt ein paar Millimeter nach oben, was ich besonders im Fersenbereich spürte, wo der Fuss einfach nicht mehr so „im Polster“ sitzt.

Als ich zu Hause dann Schuh und Socken auszog, kam die böse Überraschung: Eine fette, offene Blase. Juchu…

Hier werde ich nochmal Kontakt mit Dr. Nagel aufnehmen und mich erkundigen, ob sich da was feintunen lässt bzgl. der Höhe der Einlagen. Anderenfalls sind sie für mich -zumindest in dem Schuh- nicht zu gebrauchen, befürchte ich.

By the way: Die Blasenpflaster von Compeed sind mal so richtig gut und gehören dann wohl zukünftig auch mit zu meiner Laufausrüstung. ;-)

Update: Hab kurzfristig einen Termin vereinbaren können und die Einlage wurde ruckizucki nachgeschliffen, sodass die Höhe nun passt und die Ferse dort im Schuh sitzt, wo sie hingehört.

Take away

Nach der Analyse bekommt man eine hübsche mehrseitige Mappe, die einen Bericht mit den Auswertungsergebnissen beinhaltet, Screenshots aus den Videoaufnahmen zur Veranschaulichung sowie eine Übersicht über die empfohlenen Übungen inkl. deren Ausführung. Desweiteren liegen individuelle Schuhempfehlungen diverser Hersteller bei.

On Top gibt es zudem noch eine CD mit den Inhalten der gedruckten Mappe in digitaler Form inkl. der angefertigten Videoaufnahmen.

Mein Fazit der Bewegungsanalyse

Abschliessend lässt sich sagen, dass ich super glücklich bin, mich für die Bewegungsanalyse bei OST Möller entschieden zu haben.

Was für mich am wertvollsten daran ist:

  • Durch die Videoaufnahmen habe ich erstmalig ein Bild davon bekommen, wie ich wirklich laufe. Meine Selbstwahrnehmung was bislang komplett abweichend von der Realität.
  • Die Erklärungen von Dr. Nagel, warum dies und das beim Laufen mit meinem Körper passiert, waren sehr einleuchtend. Ich bin ein Freund davon, Problemursachen zu verstehen.
  • Die Übungen, die mir gezeigt wurden, um gezielt an meinen Schwächen zu arbeiten und somit meinen Laufstil zu verbessern (und dadurch das Verletzungsrisiko zu minimieren und die Effizienz zu steigern) sind Gold wert für mich. Die Übungen sind seitdem fester Bestandteil meines Trainingsplans.

Also, es gibt genug zu tun und ich weiss jetzt, woran ich arbeiten kann. Auf geht’s!

Rock on,
Michael Fettwech

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